Ich bin Lehrerin und habe insofern ein Handicap, als ich erst einmal Vorurteile überwinden muss. Nein, ich bin kein "fauler Sack". Ich bin pflichtbewusst, gewissenhaft und bei den Schülern beliebt. Ausserdem habe ich letztes Jahr eine der tollsten und besten Reisen in ganz Frankreich für Schüler vorgeschlagen nämlich eine Fahrradreise über mehrere Tage an einem deutschen Fluss entlang. Übrigens setze ich allein durch diesen Hinweis bereits die Anonymität meines Blogs aufs Spiel. Niemand sonst hat ein solches Projekt je durchgeführt.
Seit vier Wochen kränkele ich herum mit Halsschmerzen und immer wiederkehrendem Husten. Ich hatte die Hoffnung, mich in dieser Woche zu erholen, da wir nur ein Probeabi beaufsichtigen mussten. Das ist natürlich weniger anstrengend als Unterricht zu machen. Am Montag habe ich vier Stunden lang zwanzig Schüler beaufsicht. Ein Drittel davon zeigte Symptome von Erkältungskrankheiten: Husten, Schnupfen, wiederholtes Niesen. Zwei haben sogar die Hälfte der Zeit ihren Kopf aufs Pult gelegt und wahrscheinlich geschlafen.
Ich habe mir sofort nach dem Einsammeln der Kopien die Hände gewaschen. Und trotzdem hat es mich erwischt. Da ich schon angeschlagen war, ist das auch kein Wunder. Hätte irgendjemand die Anzahl der Viren und Bakterien der Atemluft in dem Klassenzimmer untersucht, hätte man wahrscheinlich evakuieren müssen ...
Gestern morgen (wieder in der Schule) hatte ich Muskelschmerzen, habe dauernd geniest, abends kamen Kopfschmerzen hinzu und ein bellender Keuchhusten.
Also bin ich heute morgen zum Hausarzt gegangen. Der hat mich oberflächlich untersucht, eine Virusinfektion festgestellt (Kehlkopfentzündung) und mir ein paar symptombekämpfende Medikamente verschrieben. Als dann weiter nichts kam, habe ich gefragt, ob er mich für morgen krank schreiben könnte, da ich veir Stunden lang im Flur Aufsicht habe, dort sei es kalt und es gäbe ständigen Luftzug. Das hat er mir verweigert: "Da brauchen Sie doch nur zu fragen, dass man die Heizung hochstellt." und "wenn ich alle Leute mit Kehlkopfentzündung krankrschreiben würde", dann würden 80% der Leute nicht arbeiten. "
Ich habe nichts mehr dazu gesagt. Es war schon erniedrigend genug, so abgewiesen zu werden.
Wenn so viele Leute krank herumlaufen, dann liegt es doch genau daran, dass man nicht vorn herein die Dinge konsequent angeht. Es dürfte eigentlich gar nicht sein, dass hustende, schniefende und fiebrende Jugendliche in die Schule kommen. Da fängt es doch schon an. Es darf auch (in der fünftgrössten Wirtschaftsmacht der Welt - das wird ja zur Zeit immer so gerne betont) nicht sein, dass sich Lehrer in den Schule den Allerwertesten abfrieren. Die Heizung im Flur kann übrigens nicht höhergestellt werden, weil es da gar keine Heizung gibt. Sämtliche Türen und Fenster sind nicht isoliert, manche Türen bleiben offen stehen, weil der Schliessmechanismus nicht funktionniert.Windfänge gibt es auch keine.
Dieser mittelmässige Hausarzt meint wohl, mit seiner Einstellung dem Staat Kosten zu ersparen. Aber genau durch diesen laxen Umgang gehen doch der Wirtschaft wahrscheinlich Milliarden verloren. In Frankreich schleppen sich die meisten Arbeitnehmer zur Arbeit, auch wenn sie krank ist. Ich weiss doch wie das geht! Wenn man einen Bürojob hat, dann tut man doch nur so als würde man arbeiten. Man macht das Nötigste und schummelt sich so durch den Tag. Wenn sich das über mehrere Tage hinzieht kosten das wahrscheinlich mehr an Effizienzverlust, als wenn der Arbeitnehmer zwei Tage zu Hause geblieben wäre und seine Krankheit auskuriert hätte. Und ausserdem werden die Viren so weitergetragen. Und dann könnte man ja auch mal so eine intelligente Massnahme wie das Tragen von Masken einführen. Aber da würden sich die Franzosen ja scheckig lachen.
Also werde ich mich morgen in die Schule schleppen und ausharren. Vielleicht ist ja ein anderer Kollege krank und ich kann wenigstens in einen geheizten Raum. Die Chancen stehen ziemlich hoch, da ja viele meiner Kollegen in irgendeiner Form angeschlagen sind. Mit meiner Bitte um Ktrankschreibung hatte ich auch gehofft, einen Einfluss auf die Statistiken zu nehmen: Infektionskrankheiten an Schulen müssen als Thema behandelt werden. Wenn man natürlich gar nicht erst krank geschrieben wird ändert sich auch an den Statistiken nichts. Friede, Freude, Eierkuchen. Darauf basiert überhaupt das ganze Schulsystem, aber das ist ein anderes Thema.
Noch etwas für die, die vielleicht immer noch denken, dass ich zu diesem typischen Lehrerbild passe: in meiner siebzehnjährigen Karriere Laufbahn war ich vielleicht insgesamt zehn Tage krank geschrieben.
Mein Fust ist zu gross, dass ich Lust habe, morgen jeden ausgiebig anzuhusten, der mir in die Quere kommt, eine Epidemie auszulösen, die in die Presse kommt. Vielleicht habe ich ja sogar Keuchhusten. Das kriegen auch manchmal geimpfte Leute. Dann könnte der Kerl seine Praxis schliessen....
Wenn es hier tatsächlich mal zu einem Ausbruch der Vogelgrippe kommen sollte, oder zu sonst einer schwerwiegenden Viruserkrankung, dann glaube ich, dass es in Frankreich mehr Tote geben wird als in anderen Industrienationen. Diesen Satz bitte im Kopf behalten ... ich habe schon oft Recht gehabt bei so seltsamen Gedanken.
...... Mein Arztbesuch war am Donnerstag. Freitag war ich also in der Schule. Die Aufsichten warezn in der Überzahl...Hab aber trotzdem zwei Stunden abgehangen.
Nun ist Dienstag und ich habe wahrscheinlich eine Bronchitis. Gestern Nachmittag vier Stunden Unterricht. Viel Husten mit Schleim. Super. In der Nacht: verkrampfte Rückenmuskeln durch Frust und Husten und Mangel an Sport. Heute wieder Unterricht: Schüler, die ich heute Nachmittag haben soll, sind zu mir gekommen, um zu freg&an, ob wir meine Stunde verlegen können .... alle ihre anderen Lehrer sind nämlich krank ... gehen aber offenbar zu anderen Ärzten.....Darüber habe ich natürlich keine Entscheidungsgewalt. Das Verlegen einer Stunde mit der Verwaltung auszuhandeln hätte mich wahrscheinlich 30 bis 45 Minuten gekostet. Also habe ich die Schüler zum Verhandeln geschickt. Mich stört's nicht,n ganz im Gegenteil. Aber reuin rechtlich müssen die Eltern das vorher wissen usw.